Beim Parking-Day 2022 in Jena gab es vom Klimanotstands-Zentrum einen Redebeitrag, der hier veröffentlicht wird. Der Teil 1 wurde in der gehaltenen Rede etwas verkürzt.

Teil 1 – gesundheitliche Auswirkungen von Hitze

  • Im August diesen Jahres war es in Deutschland 4,2°C wärmer als zur frühindustriellen Zeit [1]. Und global war es im Juli 2022 bereits 1,1°C wärmer als im langjährigen Vergleichszeitraum [2]. Wahrscheinlich deswegen verstarben im August des Jahres 2022 ungefähr 11 Prozent mehr Menschen als in anderen Jahren, das sind ca. 8 156 Menschen, die wahrscheinlich wegen der starken Hitze gestorben sind [3].
  • Entscheidend ist aber nicht die Mitteltemperatur, also ob es nun 1,5 oder 2°C wärmer ist, sondern die damit einhergehenden Temperaturextreme, d.h. v.a. die Hitzewellen über mehrere Tage und die Tropennächte, in denen nachts die Temperatur nicht unter 20°C sinkt. Und diese Extreme werden mit fortschreitender Klimakrise immer häufiger, intensiver und länger andauern. Wir alle erinnern uns an die Hitzesommer 2018, 2019 und 2020. Auch 2022 reiht sich in diese Reihe ein.
  • Der Hitzesommer 2018 verursachte allein in Deutschland je nach Berechnungsgrundlage 8.700 bis > 20.000 hitzebedingte Sterbefälle -> damit ist Deutschland auf Platz 3 weltweit was die absolute Zahl an Hitzetoten angeht (Platz 1 und 2 belegen China und Indien) [4,5].
  • Jena ist dabei eine besonders von Hitze gestresste Stadt: erst Ende Juli haben Messungen in der Jenaer Innenstadt ergeben, dass bodennah am Marktplatz fast 55°C herrschen [6]. Wir Erwachsenen vergessen dabei allzu häufig, dass unsere Kinder und Tiere nur kurz oberhalb vom Boden leben, d.h. sie sind diesen Extremtemperaturen in besonderer Weise ausgesetzt!
  • Das Problem in Jena und vielen anderen Städten sind die versiegelten Flächen, dunkles Pflaster und Straßen, fehlende Luftschneisen, zu wenig Begrünung und Verschattung und zu viel motorisierter Verkehr mit seiner Abwärme.
  • Wer ist besonders von Hitzewellen betroffen? Ältere Menschen wie unsere Großeltern, kranke oder sogar bettlägerige Menschen, die auf die Hilfe Dritter angewiesen sind, Schwangere, Säuglinge und Kleinkinder. Nicht zu vergessen all die Menschen, die draußen ihre Arbeit verrichten (Dachdecker, Bauarbeiter, ….) oder keine Obdach habe. Auch Menschen mit niedrigen Einkommen können sich weniger gegen Hitze schütze, weil sie z.B. in schlecht isolierten Wohnungen leben müssen, kaum bis kein Geld für entsprechende Kleidung oder geschweige denn Klimaanlagen haben usw.
  • Auch wenn wir nicht zu diesen Risikogruppen gehören, macht Hitze etwas mit uns: schon lange vor einem Hitzschlag tritt nimmt die Produktivität ab, aggressives Verhalten nimmt zu, wir machen Fehler usw. [7].
  • Hitze betrifft nahezu jede*n. Es ist kein individuelles Problem wie es uns die Politik häufig glauben lassen will, sondern es ist ein gesamtgesellschaftliches, welches von der Politik angegangen werden muss!
  • Corona hat uns gezeigt, dass unser hochspezialisiertes Gesundheitssystem bei derartigen Problemen, die so viele Menschen gleichzeitig betreffen, schlecht aufgestellt ist. Und warum? Ganz einfach, weil sich mit dem öffentlichen Gesundheitssystem kaum bis wenig Geld verdienen lässt! Gesundheitsschutz bei Hitze wird auf das Individuum abgewälzt. Einkommensschwache Haushalte haben dabei meist das Nachsehen.
  • Gesundheitliche Auswirkungen von Hitzewellen sind ein medizinischer Notfall genau wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall. Aber gegen Hitze gibt es keine Impfung oder Tablette. Die Klimakrise gefährden die Grundlage unserer Gesundheit: wir brauchen saubere Luft zum Atmen, sauberes und v.a. ausreichend Wasser zum Trinken, Nahrungssicherheit und Temperaturen in einem dauerhaft erträglichen Maß [7].
  • Jede*r von uns will gesund sein, will, dass ihre*seine Familie gesund ist. Ich möchte in diesem Fall Eckart von Hirschhausen zitieren, weil ich die Aussage wirklich sehr treffend finde und zwar: „Gesundheit ist der Wert, hinter dem wir alle stehen.“ [7] -> In diesem Sinne ist es höchste Zeit Klimaschutz und Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung endlich umzusetzen, damit wir auch morgen und übermorgen noch eine Grundlage haben, um gesund leben können. Es geht um nichts weniger als unser aller Gesundheit – lokal hier in Jena, bundesweit und global!

Teil 2 – Forderungen an die Stadtverwaltung Jena

  • Im Entwurf des Klima-Aktions-Plans (KAP) gibt es eine Maßnahme: „WM 02:  Entwicklung und Umsetzung einer Strategie zur Klimafolgenanpassung“
  • Darin geht es darum, „dass die Stadt zukünftig für die Herausforderungen und Folgen des Klimawandels für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft gewappnet ist“.
  • Wir begrüßen die bereits angestoßenen bzw. geplanten Maßnahmen der Stadt Jena, wie z.B. das Klimaoasenprogramm, die Installation von zwei Trinkbrunnen und die geplante Begrünung der Gleisbetten [8]. Doch ausreichen wird das nicht, um die Menschen vor der Hitze zu schützen.
  • Uns geht es primär auch darum, dass die Stadt bereits ab jetzt umfassend für die Gesundheit der Menschen bei Hitze sorgt. Dazu braucht es nicht erst „umfangreiche Analysen und Projektionen in Bezug auf das künftige Stadtklima“, es reicht auch nicht zwei Bäume auf einem Parkplatz zu pflanzen, sondern dazu braucht es sofort 
  • mehr kühlende und beschattende  Begrünung und andere Schattenspender (aufgespannte Zeltplanen…) 
    • Aufbrechen von Bodenversiegelung
    • mehrere Trinkwasserspender im gesamten Stadtgebiet
    • öffentliche „Kühl-„Räume zum Ausruhen
    • Brunnen und Wassersprüher an vielen Stellen 
  • Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime müssen hitzeresilient gemacht werden.
  • Vielleicht dauert es auch nicht mehr lange, bis wir uns regional um eine gesunde Ernährungsversorgung aus eigener landwirtschaftlich ökologisch angemessener Produktion kümmern sollten  …
  • Wir brauchen auch Wissen darüber, wie stark die Menschen bereits jetzt unter der Hitze leiden. Was ist darüber im Gesundheitswesen in Jena bekannt? Wie können vor allem ältere und sozial nicht so einflussreiche Gruppen besser geschützt werden? Nicht nur naturwissenschaftliche regionale Klimaforschung wird gebraucht, sondern eine Analyse der Lebenssituation besonders vulnerabler Menschen, die nicht aus dem Hitzekessel der Stadt wegziehen können oder ihr Haus dämmen können. Und nach der Analyse natürlich entsprechende Maßnahmen, die auch nicht nur technischer Natur sein können, sondern eine direkte Unterstützung für die Menschen bieten müssen. 
  • Unter anderem deshalb müssen die im KAP  eher nebenbei erwähnten „Hitzeschutzpläne“, die so etwas enthalten müssen,  zwingend erstellt werden. Dazu muss der schon geplante Hitzeaktionsplan der Stadt Jena [9] dringend fertiggestellt werden.    
  • Menschen, die sich schon ab 30 Grad nicht mehr aus dem Haus trauen, brauchen keine „verständliche Kommunikation… um für die Folgen zu sensibilisieren“ (KAP), sie brauchen sofort bauliche, infrastrukturelle und soziale Unterstützung. 

Quellen:

[1] https://opendata.dwd.de/climate_environment/CDC/regional_averages_DE/monthly/air_temperature_mean/

[2] http://berkeleyearth.org/data/

 [3] Mehr Sterbefälle in BRD in August. junge Welt, 14.9. 2022. Vgl. Destatis.de.

[4] Winklmayr C, Muthers S, Niemann H, Mücke HG, an der Heiden M: Heat-related mortality in Germany from 1992 to 2021. Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 451-7.               https://www.aerzteblatt.de/archiv/225954/Hitzebedingte-Mortalitaet-in-Deutschland-zwischen-1992-und-2021

[5] Watts N, Amann M, Arnell N, et al.: The 2020 report of The Lancet Countdown on health and climate change: responding to converging crisis. Lancet 2021; 397: 129-70.            https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)32290-X

[6] https://www.ardmediathek.de/video/fakt/fakt/das-erste/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy9iMGE5ZDRjMS03NTExLTQ1NTEtYTZiNi0zYWQ4OGU1OTM3YzI Abruf am 08.09.2022

[7] von Hischhausen E, Lerch MM: Gespräch zu den Folgen des Klimawandels für die Medizin und den Menschen. Internist 2022; 63: 397-400.   https://doi.org/10.1007/s00108-022-01299-8

[8] Interview mit Herrn Gerlitz im okj, ausgestrahlt am 12.08.2022 https://www.campusradio-jena.de/2022/08/12/on-tour-das-hitzeschutzkonzept-der-stadt-jena/ Abruf am 09.09.2022

[9] https://www.dwd.de/DE/forschung/klima_umwelt/klimawirk/stadtpl/projekt_jena/stadtpl_jena_node.html