Unser Selbstverständnis

(letzte Änderung 13.03.24)

Präambel

Klima- und Artenschutz sowie Klimafolgenanpassung sind in Anbetracht der ökologischen Krisen unumgänglich. Dabei sehen wir eine gesellschaftliche und systemische Transformation als Schlüssel für ein gutes Leben für uns und alle folgenden Generationen an.

In Anlehnung an die britische Idee des Climate Emergency Centres ist die Vision entstanden in Jena ein Klimanotstands-Zentrum zu schaffen. Das Zentrum soll umfassende Aufklärung zum Thema Klimagerechtigkeit bieten, Bewohner*innenbeteiligung ermöglichen und stärken sowie dadurch den notwendigen sozio-ökologischen Wandel begleiten:

Eine breite Aufklärung über Klimakrise, planetare Belastungsgrenzen sowie Anpassungsstrategienist ein wesentlicher Bestandteil hin zu einer klimagerechten Welt. Nur wer die Zusammenhänge versteht, kann die Notwendigkeit des Wandels, also der Transformation, akzeptieren und mittragen. Wir wollen Lösungen zur Bewältigung der Klimakrise im Großen und Kleinen aufzeigen und diese gemeinsam mit den Bewohner*innen der Stadt Jena und des Umlandes weiterentwickeln. Eine nachhaltige Lebensweise darf kein Nischenwissen bleiben.

Wir sehen eine demokratische und direkte Bewohner*innenbeteiligung als elementaren Bestandteil zur Reduktion der Treibhausgase – parallel zu den dringend erforderlichen technischen, städtebaulichen und den Konsum betreffenden Maßnahmen. Auch bedeutet Bewohner*innenbeteiligung das Schaffen einer Selbstwirksamkeit in der Bevölkerung, damit ein Mitwirken wie auch Identifikation an lokalen, regionalen, bundesweiten sowie globalen Veränderungen gestärkt und ermöglicht wird.

Soziale Innovationen sind die Voraussetzung für eine sozial-ökologische und gesellschaftliche Transformation. Sie gehen meist von kleinen Gruppen und Individuen aus und werden weiterentwickelt, um deren Bedeutung auf großer Ebene auszuprobieren und anzuwenden. Wir wollen als Klimanotstands-Zentrum Jena einen kreativen Raum schaffen, in dem Ideen für eine nachhaltige Lebensweise entstehen können. 

Was zeichnet uns aus?

1. Neue Wege der Organisation, des Arbeitens und der Lebensgestaltung finden

Wir stehen ein für eine sozio-ökologische Transformation in Anbetracht der Folgen von Klimakrise und Artensterben. Wir weiten dabei unseren Blick über kommunale Anpassungsprozesse wie bei Mobilität, Energie und Bauwesen hinaus auf die Gesellschaft. Allein auf Dekarbonisierung zu setzen, ist unserer Ansicht nach nicht ausreichend, um die Krisen zu bewältigen. Wir setzen uns dafür ein, die Bedürfnisse der Menschen und aller Lebewesen in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen. Menschen sind aufgrund ihrer speziellen Fähigkeiten aus unserer Sicht im besonderen Maße für die Natur und Lebewesen verantwortlich.

Wir unterstützen Klima- und soziale Gerechtigkeit. Denn der Kampf um Klimagerechtigkeit kann nicht ohne soziale und ökonomische Gerechtigkeit gedacht werden.

Zu einer gesellschaftlichen und systemischen Transformation zählt für uns auch die Auseinandersetzung mit der Arbeits-und Wirtschaftswelt, weil Wirtschaftsordnung und Klimakrise unmittelbar zusammenhängen. Die Ressourcen auf dem Planeten Erde sind endlich, aber unser globales Wirtschaftsmodell fußt auf unendlichem Wachstum und betreibt dabei fortwährend Raubbau an Natur und Mensch. Aktuell sehen wir eine immer größere Chancenungleichheit, die Reichtum und Wohlstand einseitig auf einige wenige verteilt. Diese Ungleichheit existiert und wächst weltweit, aber vor allem die Menschen in Ländern des Globalen Südens sind von den Folgen dieser ausbeuterischen Art zu Wirtschaften sowie den Auswirkungen der ökologischen Krisen am deutlichsten betroffen.

Aus unserer Sicht braucht es für ein gutes Leben für alle Menschen auf diesem Planeten eine Wirtschaft, die am Gemeinwohl orientiert ist. Dazu ist die Entwicklung und Umsetzung eines postkapitalistischen Systems ohne Profitorientierung essentiell. Die Produktion von Gütern muss sich an den wahren Bedürfnissen der Menschen und dem Aspekt der Nachhaltigkeit orientieren. Die Kreislaufwirtschaft muss dabei aktiv gelebt werden. Wir müssen unsere Arbeitskraft für die Verwirklichung von gesellschaftlichen Zielen einsetzen und nicht für die Gewinnmaximierung von Konzernen. Überschüsse dürfen nicht mehr in Finanzgeschäfte fließen, sie müssen der Entwicklung von Innovationen dienen. Jeder muss von seiner Arbeit gut leben können. Für eine echte Chancengleichheit muss der Wohlstand aktiv umverteilt werden. 

Wir wollen kein Leben, in dem wir bis zur Erschöpfung arbeiten gehen müssen, um Geld zu verdienen, um dieses wiederum für Konsumgüter auszugeben, die wir weder brauchen noch uns glücklicher machen. Wir sollten uns auf gesellschaftlich wichtige Arbeiten fokussieren, die nicht profitgetrieben sind. Kürzere Arbeitszeiten sind nicht nur gesünder und geben uns nicht nur mehr Freizeit zum beruflichen Ausgleich, sie schaffen auch mehr Gelegenheiten der Selbstversorgung, Familien- und Nachbarschaftshilfe, Zeit für Repatur von Gegenständen, die wir aus Zeitmangel weggeschmissen und durch neue Produkte ersetzt hätten, Zeit für persönliche Weiterentwicklung, Kommunikation und Engagement.

Wir wollen gezielt die Zusammenhänge analysieren und die derzeitige Form des Zusammenlebens und Arbeitens in den Kontext von Klimakrise und Artensterben stellen. Ein Schwerpunkt des Klimanotstands-Zentrums Jena soll die klimagerechte und ökologisch nachhaltige Weiterentwicklung der lokalen Arbeitswelt in Jena sein. 

2. Selbstfürsorge pflegen und Gemeinschaft schaffen

Darüber hinaus braucht es aus unserer Sicht eine verbindende Struktur für alle Akteure im Kampf um Klima- und soziale Gerechtigkeit. In Anbetracht der drohenden Katastrophe sowie des weiterhin unzureichenden Handelns von Politik und Wirtschaft wollen wir Emotionen wie Enttäuschung, Trauer und Verzweiflung einen Raum bieten, jedoch ohne dabei zynisch oder passiv zu werden. Wir setzen uns für eine Regenerative Kultur und Selbstfürsorge ein. Das Schaffen von Gemeinschaft ist aus unserer Sicht ein Schlüsselelement v.a. in krisenhaften Situation und auch als Keimzelle für neue Lebens- und Arbeitsformen.

3. Regional handeln, global denken

Das Klimanotstands-Zentrum Jena soll entscheidend zum Erreichen der lokalen Klimaneutralität und gesellschaftlichen Transformation in Jena beitragen. Wir sehen uns als primäre Anlaufstelle und verlässliche Quelle für die Bewohner*innen in allen Fragen des sozio-ökologischen Wandels. Dabei streben wir immer eine Signalwirkung über die Grenzen von Jena hinaus an. Eine vollständige gesellschaftliche Transformation ist nur im globalen Kontext möglich. Individuelle und kommunale Maßnahmen haben ihre Grenzen in Bezug auf vollkommene Klimaneutralität, daher setzen wir uns neben einem lokalen und regionalen Wandel für eine globale systemische Transformation ein.

Wen möchten wir ansprechen?

Das Klimanotstands-Zentrum Jena spricht primär die Bewohner*innen von Jena und dem Umland an, und zwar jeden Alters. Ihnen möchten wir ein Wegbegleiter im Prozess der sozio-ökologischen Transformation auf lokaler Ebene sein und sie darüber hinaus ermutigen, sich in den Prozess des gesellschaftlichen Wandels aktiv einzubringen, diesen mitzugestalten und sich aus einer intrinsischen Motivation heraus für gesellschaftliche und systemische Veränderungen über Jena hinaus einzusetzen.

Die Bewohner*innen kennen am besten die Probleme, Hürden und Bedürfnisse in Jena und Umgebung und daher sind sie es auch, die kreative Ideen, neue Initiativen und Vernetzungen in ihrer Kommune zukunftsorientiert entwickeln können.

Um dies zu realisieren, vernetzen wir verschiedene Akteure, Gruppen und Initiativen aus der Klimagerechtigkeits- und sozialen Bewegung mit den Bewohner*innen.

Wir arbeiten für eine Bewusstseinsbildung zu den Fragen der Klimakrise, der Notwendigkeit von Klimaneutralität und -anpassung, des Erhalts der Biodiversität und des sozio-ökologischen Wandels. Eine verständliche Wissensvermittlung ist für uns hierbei essentiell.

Wir wollen die Eigeninitiativen der Bewohner*innen durch Ermutigung und praxisnahe Maßnahmen stärken. Möglichkeiten des Ausprobierens sollen geschaffen werden. Die Vorteile der gegenseitigen Unterstützung und Zusammenarbeit auf kleinster Ebene wollen wir hervorheben und fördern.

Über die Vermittlung von Wissen wollen wir ein starkes Bewusstsein für die Notwendigkeit von Klima- und Artenschutz sowie die Anpassung an die zukünftigen, und teils schon gegenwärtigen, Herausforderungen schaffen. Erst der Bewusstseinswandel ermöglicht die Entstehung von Interesse für den Prozess des sozio-ökologischen Wandels. Nur wer interessiert ist am Thema des sozio-ökologischen Wandels kann eine positive Haltung gegenüber den Veränderungen entwickeln und diese auch mittragen, im eigenen Leben umsetzen und von Politik und Gesellschaft einfordern. Nur in der großen Summe sind so grundlegende gesellschaftliche und okönomische Veränderungen für ein besseres Leben für alle Lebewesen auf diesem Planeten möglich.

Auf welchen Werten baut unsere Arbeit auf?

  • Das Klimanotstands-Zentrum Jena ist offen und zugänglich für alle, die sich mit unseren Werten identifizieren können.
  • Wir begrüßen Internationalität sowie kulturelle und individuelle Vielfalt. Wir laden aktiv LGBTQIA+(1)-Menschen, BIPoC(2) sowie behinderte Menschen ein, sich mit ihrer Sichtweise und ihren Fähigkeiten in den Prozess der sozio-ökologischen Transformation einzubringen.
  • Wir machen transparent, wie sich Menschen involvieren können und Entscheidungen getroffen werden.
  • Entscheidungen finden wir gemeinsam im Konsens.
  • Wir teilen grundlegenden Werte wie Gerechtigkeit, Inklusion, Ehrlichkeit, vernünftige sich gegenseitig bereichernde Freiheit, Respekt, Vertrauen und Verantwortung.
  • Wir pflegen möglichst eine gewaltfreie Kommunikation untereinander und mit allen anderen Personen.
  • Wir distanzieren uns klar von jeder Form der Diskriminierung und von Profitinteressen.
  • Wir bleiben offen für Anregungen, Verbesserungsvorschläge und konstruktive Kritik von Innen und Außen. 
  • Wir bilden uns stetig fachlich, methodisch und didaktisch weiter.
  • Wir üben regelmäßige Reflexion über unsere Arbeit sowie Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe und nach außen. Wir prüfen jährlich unser Selbstverständnis.
  • Wir bringen Sinn, Kreativität und Freude in die Arbeit ein.
  • Wir streben eine nachhaltige Ausrichtung des Klimanotstands-Zentrums Jena an.
  • Wir arbeiten mit dem Gedanken der gegenseitigen Hilfe, Unterstützung und Kooperation.
  • Wir unterstützen direkte Demokratie, die Entwicklung von Gemeinschaften und Versammlungen.
  • Aktionen im Namen des Klimanotstands-Zentrums Jena werden vorher in der Gruppe abgestimmt.
  • Das Klimanotstands-Zentrum Jena ist ein Ort zum Entwickeln, Lernen, Ausprobieren und Reflektieren.
  • Wir suchen aktiv die Vernetzung zu anderen Gruppen und Initiativen aus dem Kontext der Klimagerechtigkeits- und sozialen Bewegung.
  • Unser Ziel ist die Zusammenarbeit, nicht das Abwerben von Personen aus anderen Gruppen und Initiativen.
  • Wir beteiligen uns an Projekten des Klima- und Artenschutzes und der -anpassung in Jena und Umgebung.
  • Unser Anspruch ist ein barrierefreier Zugang sowohl in örtlichen Gegebenheiten wie auch digital.
  • Wir achten auf eine gendergerechte Sprache.
  • Wir zeigen Verständnis für Zielkonflikte der verschiedenen Akteur*innen im Prozess der systemischen und gesellschaftlichen Transformation. Wir setzen uns für eine Vermittlung und gemeinsame Lösungsfindung ein.
  • Wir legen Wert auf Partizipation, um mit Menschen die gesellschaftliche Transformation zu gestalten.

(1) Abkürzung für „lesbian, gay, bisexual, transsexual/transgender, queer, intersexual und asexual“ und steht für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle/Transgender-, queere, intersexuelle und asexuelle Menschen

(2) Abkürzung für „Black, Indigenous and People of Colour“, auf Deutsch „Schwarze, indigene und nicht-weiße Menschen“