Heute ist wieder Freitag und die „Fridays for Future“ sind wieder da. Trotz des Mistwetters war die Demonstration heute mittag in Jena doch einigermaßen gut besucht. Sie fand symbolträchtig genau 12.05 Uhr, also „Fünf nach Zwölf“ statt. Schon im Redebeitrag der „Fridays for Future“ wurde darauf verwiesen, dass sich trotz der drei Jahre andauernden Demos, Aktionen und Bewegungen nicht viel verbessert hat bei der Emissionssenkung – im Gegenteil! Es wurde auch erwähnt, dass sich inzwischen auch in der Klimasituation schon zu viel zum Schlechteren verändert hat, als dass noch alles gut werden könnte. Annette S. vom Klimanotstands-Zentrum hat ebenfalls einen kurzen Redebeitrag gehalten, der hier aus der Erinnerung nachvollzogen wird (weil er nicht aufgeschrieben und abgelesen wurde):
Die Symbolik des Zeitpunkts „Fünf nach zwölf“ müssen wir durchaus ernst nehmen. Die Fenster der Möglichkeiten, als Menschen ohne große Blessuren und ohne dass die 1,5 Grad überschritten werden, durchzukommen, schließen sich gerade. Der berühmte Bericht an den Club of Rome von vor 50 Jahren warnte noch davor, dass ab ca. 2020 größere Kollapse auf vielen Gebieten eintreten könnten – der aktuelle Bericht an den Club of Rome muss konstatieren, das wir uns „inmitten eines planetaren Notstands“ befinden.
Deshalb ist Ehrlichkeit so wichtig.
Je länger wir hoffen, es würde schon nicht so schlimm werden, desto schlimmer wird es werden. (AS)
Deshalb habe ich einen Offenen Brief mitunterzeichnet, in dem Wissenschaftler*innen dazu aufrufen, ehrlich zu kommunizieren, dass wir dabei sind, das 1,5-Grad-Ziel zu überschreiten. Wer meine Vorträge kennt, weiß, dass ich schon lange derartiges begründet sage.
Und wenn wir ehrlich sind und die Misere in der Welt mit offenen Augen anschauen, dann überkommen uns Gefühle von A bis Z: von Angst über Furcht, Trauer, Verzweiflung und Zynismus. Wir wären keine Menschen, wäre das nicht so. Wir können die aufkommende Verzweiflung nicht einfach wegschieben und zu Aktionismus übergehen, wie es im vorigen Beitrag (von FFF) anklang. Wir müssen diese Gefühle ernst nehmen.
Stellt Euch vor, auf ungefähr 200m Länge hier auf der Straße wäre ein farbiges Band: Von Grün ganz links über gelb und dann Orange in der Mitte bis hin zu Dunkelrot ganz rechts. Und dann könnt Ihr überlegen, wo Ihr Euch hinstellen werdet, wenn es um die Frage geht, wie sehr Ihr befürchtet, dass es in Eurem Leben noch zu einem großen (gesellschaftlichen/ökologischen) Kollaps kommt. Grün: „gar nicht“, orange: „Fifty-Fifty“ und dunkelrot: „Mit Sicherheit“… Wo steht jede*r?
Ich mache das bei meinen Veranstaltung öfter und eigentlich stehen da alle im rechten Bereich zwischen Orange und Dunkelrot… Die Befürchtungen sind also da. Und wir müssen sie ernst nehmen.
Was hilft denn gegen Angst und Furcht? Zuerst könnte man annehmen, dass nichts zu befürchten sei, weil wir die Welt noch rechtzeitig retten. Aber das fällt inzwischen aus, denn es ist … „nach zwölf“. Am allermeisten wird die Angst, Trauer und auch Verzweiflung wohl verdrängt. Bei einer Verdrängung zwingt man sich zu denken, dass nicht sein kann, was nicht sein darf…. Aber im tiefsten Innern beginnt wird die Angst doch immer stärker zu wühlen (und schon allein deshalb kommen viele nicht mehr zu unseren Demos, wie mir öfter mitgeteilt wurde)… Ich kann Euch nicht wirklich sagen, wie Ihr das loswerdet, aber eins kann ich Euch aus eigener Erfahrung sagen: Es hilft, nicht allein damit zu sein.
Deshalb sprecht in euren Gruppen oder mit anderen vertrauten Menschen ruhig darüber, helft euch gegenseitig, damit umzugehen. Auch wer noch optimistischer ist: Lasst die anderen nicht allein.
Nur dann können wir wieder mehr Kraft gewinnen, für die Kämpfe, die noch nötig sind.
P.S. Was ich auf die Schnelle vergessen habe zu sagen, ist das Angebot unseres „Klimanotstands-Zentrums“ mit Euch über solche Fragen zu sprechen und einen Raum dafür zu öffnen. Bitte wendet uns über Mail an uns, wir machen dann einen Termin aus.