In Jena verwies eine Rednerin beim kürzlichen Ostermarsch auf den Zusammenhang von Klimawandel, mangelndem Klimaschutz sowie direkte Schädigung der Umwelt und des Klimas durch das Militär. Wir erleben gerade, wie der Krieg in der Ukraine direkt die Aufmerksamkeit und das Aufbringen von finanziellen und materiellen Aufwendungen in diese Richtung orientiert und vom Klima-Umbruch ablenkt. Das Verhältnis der Ausgaben für Militär und Klimaschutz ist sowieso schon extrem falsch unausgeglichen: „Die Staaten der Welt geben sechs Mal so viel für Militär aus wie für Klimaschutz“ (Auer 2021a):
Der „Bootprint“ (in Bezug auf die CO2-Emissionen) allein des US-Militärs ist doppelt so hoch wie der des Autoverkehrs in den USA (Zhang 2022). Dazu kommen noch die immensen Emissionen der Rüstungsindustrie! Allein das US-Militär ist ein „größerer Umweltverschmutzer als 140 Länder zusammen“, meinte (Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses auf der COP26-Konferenz in Glasgow.
Der Krieg in der Ukraine richtet nun neben den menschlichen Verlusten und der Zerstörung von Orten und Infrastruktur, erstens unzählige Umweltschäden an, führt aufgrund der Angst vor einem Energiemangel wegen der Sanktionen usw. zweitens zu einer Renaissance schmutziger fossiler Energien und verlangsamte damit den Übergang zu sich erneuernden Energiequellen. (vgl. Zhang 2022)
Auch in Deutschland werden durch eine Flugstunde des Eurofighters so viel Treibhausgase in die Luft geschleudert, wie ein Mensch im Jahr an Emissionen verantwortet. Die 10.480 Flugstunden zusammengenommen, bräuchte es „mehr als neun Millionen Bäume […], um die dadurch freigesetzten 115.280 Tonnen CO2 zu speichern.“ (Rieger 2021: 59)
Die sich gegenseitig selbst verstärkenden nichtlinear zusammen wirkenden Prozesse der Militarisierung und der Umwelt-/Klimazerstörung werden noch ergänzt durch den geopolitischen Prozess der militarisierten Zugangssicherung zu den fossilen Energiequellen. Es gibt ein komplex ineinander verflochtenes, sich selbst verstärkendes Knäuel „von Wirtschaftswachstum, Nutzung fossiler Brennstoffe und Abhängigkeit“ (Crawford 2022: 11). Teufelskreise in Teufelskreisen… „US-Wirtschaft und das Militär haben gemeinsam einen tiefgreifenden und langfristigen Kreislauf von Wirtschaftswachstum, Nutzung fossiler Brennstoffe und Abhängigkeit geschaffen. Dieser Kreislauf hat die US-Militärdoktrin geprägt und in den letzten fünfzig Jahren die Mission zum Schutz des Zugangs zum Öl im Persischen Golf vorangetrieben“ (Lyle 2023) Anders gesagt:
„Unsere so genannte nationale Sicherheit basiert auf unprovozierten Invasionen, groben Menschenrechtsverletzungen, Wirtschaftskriegen, Regimewechsel und offenem Terrorismus. Es ist ein modernisierter Imperialismus, der sich genauso wenig um die Menschen kümmert wie um die Ökosysteme, in denen wir leben.“ (Goldfield 2019)
Und als wäre das nicht schon brisant genug, vergrößert der anlaufende Klima-Umbruch noch die Gefährdung von Sicherheiten. In einer Pressemitteilung des Pentagon (DoD) vom 21.10.2021 „Climate Risk Analysis“ heißt es:
„Verschärft durch den Klimawandel beschädigen extreme Wetterereignisse zunehmend die Infrastruktur, unterbrechen die Versorgungsketten, beeinträchtigen die Einsatzbereitschaft und die Operationen der Streitkräfte und tragen zu humanitären Krisen und Instabilität auf der ganzen Welt bei.“ (DoD 2021)
Die Antwort? Nicht etwa die Beseitigung der Ursachen der Gefahren, sondern wiederum eine militarisierte Antwort: „Nach Ansicht führender Verteidigungsexperten und Militärstrategen ist die klimabedingte Kriegsführung eine kurzfristige Realität und kein weit entferntes Schreckgespenst. Sie sprechen immer noch über die Bedeutung der Bekämpfung des Klimawandels, aber sie schmieden auch Pläne, andere Menschen wegen des Klimawandels zu bekämpfen.“ (Pearl 2021) Es verändert sich dadurch „die gesamten strategischen Landschaft“ (ebd.).
Die folgende Karte zeigt, wo aufgrund von extremen Wettersituationen, die immer häufiger mit dem Klima-Umbruch verbunden sind, mit Folgen zu rechnen ist, die das menschliche Leben stark beeinträchtigen (aus Carius u.a. 2006: 19; vgl. WBGU 2007):
Als Beispiel für den Zusammenhang von Klimawandel – mehr Dürren – Elend und Flucht – politische Unruhen gilt die neuere Geschichte von Syrien: „Im Jahr 2015 erstellte ein Forscherteam unter der Leitung von Colin P. Kelley, einem Forscher an der Columbia University, eine viel beachtete Studie, die zu dem Schluss kam, dass der nun schon zehn Jahre andauernde Bürgerkrieg in Syrien durch klimawandelbedingte Hitzewellen und Dürren und die anschließenden Kämpfe um Ressourcen verschlimmert wurde, die die von Präsident Bashar al-Assad so brutal niedergeschlagenen Unruhen anfachten.“ (Pearl 2021, ausführlich dazu Auer 2021b) Von 2006 bis 2011 herrschte da eine extrem schlimme Dürre, die kleine und mittlere Bäuer*innen ruinierte und die meisten Viehherden umbrachte. Mehr als 1,5 Millionen Menschen mussten Ihre Heimat verlassen, flüchteten zumeist in die sowieso schon überlaufenen Städte des eigenen Landes. „Faten, eine Bäuerin aus Mohasen erzählte, dass ihr Land zur Wüste geworden war, wie Salz. Sie hätten um Hilfe gebeten, aber nichts wäre geschehen. Nach zwei Jahren gaben sie auf.“ (Auer 2021b) Von 2011 bis 2018 waren laut UNHCR 5,6 Millionen Menschen aus Syrien geflüchtet, davon hielten sich 3,6 Millionen in der Türkei auf und mehr als eine Million im Libanon. 6,6 Millionen waren Binnengeflüchtete in Syrien.
Auch aus Somalia wird berichtet, dass „es bereits Gründe für die Annahme [gibt], dass die Gewalt in Somalia mit dem Klimawandel zusammenhängt“ (Pearl 2021). Vor allem die Dschihadisten profitieren demnach vom klimabedingten Verlust ihrer Lebensgrundlage und von der Ernährungsunsicherheit. Auch in Bangladesh, wo im Jahr 2020 die „schlimmsten Überschwemmungen seit 60 Jahren“ stattfanden, „haben auch die Konflikte zwischen Hindus und Muslimen offensichtlich zugenommen“ (Pearl 2021). Die Beispiele lassen sich fortführen: „Am Beispiel Mali lässt sich die Rolle des Klimawandels besonders gut fixieren. Kein Analyst würde behaupten, dass der dortige Konflikt durch den Klimawandel ausgelöst worden ist. Allerdings hat der Klimawandel bereits vorhandene soziale, politische und wirtschaftliche Probleme verstärkt, die dort zur Revolte der in der Sahel-Zone lebenden Tuareg geführt haben.“ (Peil 2020)
Insgesamt „wird erwartet, dass der Klimawandel in den kommenden zehn Jahren Dutzende von Millionen von Flüchtlingen hervorbringen wird.“ (Goldfield 2019)
Was ist zu tun, um die Teufelskreise aufzubrechen und nicht immer weiter in den Strudel der zerstörerischen Prozesse zu geraten? „Das wirklich umweltfreundlichste, was man tun könnte, wäre, alle US-Militärbasen zu schließen und den imperialistischen militärisch-industriellen Komplex als Ganzes zu demontieren. Nebenbei bemerkt wäre dies auch der größte Gewinn für unsere geliebte nationale Sicherheit, nicht nur in Bezug auf das Klima, sondern auch auf erzwungene Migration und Vertreibung.“ (Goldfield 2019)
Für die politischen Bewegungen, die derzeit noch meist nebeneinander her agieren, bedeutet das:
„Wir müssen die Antikriegs-, Klima- und Flüchtlingssolidaritätsbewegung zusammenführen.“ (Goldfield 2019)