… Tiere und Pflanzen

Eine Handreichung vom Klimanotstands-Zentrum Jena 2024
(Diesen Text gibt es auch als ausdruckbares und faltbares pdf)


Zusammenfassung vorab:

  • Achte auf viel Obst und Gemüse aus regionalem, möglichst ökologischem Anbau.
  • Verzehre tierische Produkte wie Fleisch, Eier, Milch- und Milchprodukte maßvoll.
  • Probiere alternativ mehr Hülsenfrüchte, wie verschiedene Linsensorten, Erbsen oder Kichererbsen.
  • Kaufe Nahrungsmittel bewusst saisonal: lieber kreativ in neuen Kombinationen kochen als stets exotische Früchte auf dem Teller zu wollen.
  • Vermeide Verpackungsmüll, kaufe möglichst unverpackt.
  • Bereitet Euer Essen in Gemeinschaft zu und genießt zusammen.
  • Lebensmittel-Wertschätzung: Reduziere Lebensmittelverschwendung, bedenke den langen Weg Deiner Lebensmittel „vom Feld bis auf Deinen Teller“… (Foodsharing1; „to good to go“2, Meal Prep etc.)

Hast du schon einmal von der „Planetary Health Diet“ gehört?

Die europaweite Nachfrage nach Nahrungsmitteln verursachte 2019 etwa 31% der europäischen Treibhausgasemissionen, 77% davon entfielen auf tierische Lebensmittel3. Aus umfangreichen Daten der nationalen Verzehrsstudie II ergibt sich für die „Herstellung, Vermarktung und Zubereitung der 2006 in Deutschland verzehrten (oder weggeworfenen) Lebensmittel“ ein Anteil von etwa einem Viertel der insgesamt in Deutschland ausgestoßenen Treibhausgase4. Diese Zahlen zeigen deutlich, in welch großem Umfang sich unsere Ernährungsweise auf das Klima auswirkt.

Mit der im Jahr 2019 veröffentlichten sog. „Planetary Health Diet“ (PHD) wurde eine „Klimagesunde Ernährung“ entwickelt, die auf Grundlage umfassender wissenschaftlicher Recherchen Empfehlungen für Landwirtschaft und Ernährung der Weltbevölkerung findet, um deren Wachstum adäquat zu begegnen, die Gesundheit aller zu schützen sowie die nationalen und internationalen Ziele bzgl. Klima, Nachhaltigkeit und Biodiversität zu realisieren5,6. Die Umwandlung der globalen Ernährungssysteme wird dabei verschiedene Veränderungen auf dem Speiseplan bewirken.

Empfehlungen der Planetary Health Diet6 (gilt für alle Menschen > 2 Jahre7):

  • Betonung einer pflanzenbasierten Ernährung, d. h. verstärkte Aufnahme von Vollkorngetreideprodukten, Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst und ungesättigten Fetten
  • Reduktion tierischer Lebensmittel (Fleisch, Wurst, Milchprodukte)
  • Kein oder nur geringer Verzehr von rotem Fleisch (Rind, Schwein, Ziege, Schaf8), Zucker und gesättigten Fetten; moderater Verzehr von Geflügelfleisch und Fisch
  • Vermeidung von hochverarbeiteten Fertigprodukten (z. B. Convenience-Produkte wie Tiefkühl-Pizza, verpacktes Gebäck, Fertigsoßen, Brühe, Industriezutaten wie Maissirup, Fruchtsaftkonzentrate etc.9)
Abb. 1: Foto: Verbraucherzentrale Bayern / Ulrike Lang Grafik

Limitationen der Planetary Health Diet

Menschen in besonderen Lebenssituationen (z. B. Schwangere, Stillende) und mit den damit einhergehenden besonderen Nährstoffanforderungen werden nicht hinreichend berücksichtigt. Durch den verringerten Konsum tierischer Lebensmittel kann die Versorgung mit einzelnen Nährstoffen reduziert sein, u. a. Vitamin B12, Calcium, Eisen, Zink (oder Vitamin B2).10,7

Unterschiedliche länderspezifische Gegebenheiten werden bei den empfohlenen Lebensmitteln bzw. Lebensmittelgruppen nicht berücksichtigt, eine Umsetzung ist demnach für manche Gebiete der Welt kaum möglich. Hier ist auf nationaler Ebene jeweils eine individuelle Auslegung der PHD zu finden.6,7 Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) hat im Jahr 2024 neue lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen (Food-Based Dietary Guidelines, FBDGs) herausgegeben, welche sich durch ihren Fokus auf eine verstärkt pflanzenbasierte Ernährung bereits an den Rahmenvorgaben der PHD orientieren11,12.

Aktuelle Einordnung der Ernährungssituation in Deutschland

Die bisher erfassten Aufnahmemengen von Obst, Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten in Deutschland liegen weit unterhalb der Empfehlungen des Modells der PHD13. Im Gegensatz dazu werden Fleisch und Wurst sowohl aus ernährungsphysiologischer Sicht als auch aus Nachhaltigkeitsaspekten in zu hohen Mengen verzehrt. Negativ assoziiert sind hierbei v. a. der hohe Energieaufwand insbesondere für die Futtermittelproduktion, die Verringerung der Biodiversität, aber auch die immensen Treibhausgasemissionen und der Wasserverbrauch über den gesamten Herstellungsprozess von Fleischprodukten hinweg.5

Abb. 2: Entwicklung des Fleischverzehrs in Deutschland von 2018 bis 2023 14

Wie aus Abbildung 2 ersichtlich, liegt der jährliche Fleischkonsum in Deutschland mit 51,6 kg/Kopf14 noch immer deutlich über den nationalen Empfehlungen der DGE von 300 g/Woche (15,6 kg/Kopf/Jahr)11. Um noch einmal den Zusammenhang deutlich zu machen, Sojamehl ist ein wesentlicher Bestandteil von Tierfutter, wird allerdings weitestgehend in den Anbauländern in Monokulturen angebaut und über lange Transportwege nach Deutschland v. a. aus Brasilien und den USA importiert, was u.a. immense Treibhausgasemissionen, die Abholzung wertvoller Urwälder, Reduktion der biologischen Vielfalt auch durch den verstärkten Einsatz von Pestiziden und Agrochemikalien verursacht. Von den Gesundheitsrisiken für die Landwirt*innen und dem Entzug der Lebensgrundlage indigener Völker in den Anbaugebieten ganz abgesehen.15

Obwohl eine freiwillige Tierwohlkennzeichnung (Haltungsform-Stufen 1-4) bereits durch den Lebensmitteleinzelhandel entwickelt wurde, fehlt nach wie vor eine verbindliche EU-weite Tierwohlkennzeichnung, welche den Verbraucher*innen verlässlich Auskunft über die Haltungsbedingungen der Tiere, die in die Fleischverarbeitung eingegangen sind, gibt. Lediglich für frisches Schweinefleisch besteht laut dem 2023 in Kraft getretenen Tierhaltungskennzeichnugsgesetz eine verpflichtende Kennzeichnung in 5 Stufen der Haltungsform; allerdings lediglich, wenn die Tiere in Deutschland gehalten, geschlachtet und verarbeitet wurden.16 Für Schweinefleisch aus anderen Ländern besteht bisher keine Kennzeichnungspflicht.

Wir brauchen eigenverantwortliches und bewusstes Handeln aller Verbraucher*innen, aber auch klare gesetzliche Vorgaben für die Realisierung der wichtigen Transformation im Agrar- und Ernährungssektor. Das Umweltbundesamt beschreibt hierfür einige Strategien für politische Handlungsspielräume, wie bspw. die Forderung nach einer konsequenten ökologischen Steuer- und Finanzreform, die u.a. dafür sorgt, dass den Verbraucher*innen die ökologische „Wahrheit“ von Agrar- und Nahrungsmitteln (z. B. Energie- und Ressourcenverbräuche) transparent gemacht wird.17

Nachhaltige Entwicklungsstrategien dürfen allerdings nicht soziale Ungleichheiten weiter vergrößern, sondern müssen stets zusammen mit der Schaffung und dem Ausbau sozialer Gerechtigkeit gedacht werden.

Eine große Hebelwirkung kann dabei über die Gemeinschaftsverpflegung bspw. in KiTas, Schulen, Krankenhäusern, betrieblichen Cafeterien oder auch Versorgungseinrichtungen öffentlicher Träger erreicht werden.

Fazit

Die Ernährung ist eine der größten Stellschrauben in der Nachhaltigkeitsentwicklung v. a. im Hinblick auf die Reduktion bzw. Vermeidung von Treibhausgasemissionen, die Sicherung von Artenvielfalt und die Erhaltung unserer Gesundheit. Die PHD ist ein Modell, das eine wichtige Orientierung für die perspektivisch notwendige Transformation unserer globalen Ernährungssysteme aufzeigt.6

Wissenschaftliche Modellierungen gehen davon aus, dass die Emission von Treibhausgasen um mindestens 30 % gesenkt werden könnte, wenn die Gesamtbevölkerung weniger Fleisch verzehrt und sich eher aktiv z.B. per Fahrrad oder zu Fuß bewegt und weniger motorisiert unterwegs ist18. Jede und jeder von uns kann sich also beteiligen und sich stark machen für ein gesundes Klima auf unserem Planeten, der für alle dauerhaft lebenswert bleiben soll.

Im Übrigen wächst die Weltbevölkerung, die sich derzeit auf ca. 8 Milliarden Menschen beläuft, weiter und wird im Jahre 2064 auf ca. 9,7 Milliarden ansteigen.19 Um die Nahrungsmittelversorgung auch perspektivisch für alle Menschen sicherzustellen, ist auch aus diesem Grund der Fokus auf eine nachhaltige, ressourcenschonende Nahrungsmittelproduktion sinnvoll.

„Nichts wird die Chancen für ein Überleben auf der Erde so steigern wie der Schritt zu einer vegetarischen Ernährung.“ 

 (Albert Einstein theoretischer Physiker 1879–1955)

Literatur

1 https://foodsharing.de/, abgerufen 19.05.2024, 13:15

2 https://next.toogoodtogo.com/de, abgerufen 19.05.2024, 13:15

3 van Daalen et al., Lancet 2022, https://doi.org/10.1016/S2468-2667(22)00197-9

4 Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz und Wissenschaftlicher Beirat Waldpolitik beim BMEL (2016): Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen Ernährung und Holzverwendung. Gutachten. Berlin

5 BMEL (2022): Eckpunktepapier: Weg zur Ernährungsstrategie der Bundesregierung. Berlin & Bonn).

6 https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/lagern-kochen-essen-teilen/planetary-health-diet/, 13.05.2024, 19:53

7 Breidenassel et al., Ernährungsumschau 5/2022

8 https://cancer-code-europe.iarc.fr/index.php/de/12-moeglichkeiten/ernaehrung/974-was-versteht-man-unter-rotem-fleisch-und-verarbeitetem-fleisch, abgerufen: 19.05.2024, 12:30

9 Behsnilian D, Bröder J, Tauer J, Mayer-Miebach E: Einordnung von Lebensmitteln nach dem Verarbeitungsgrad und Bewertung gängiger Klassifizierungssysteme in der Ernährungsforschung. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): 15. DGE-Ernährungsbericht. Vorveröffentlichung Kapitel 8. Bonn (2023) V1-V37 (https://www.dge.de/fileadmin/dok/wissenschaft/ernaehrungsberichte/15eb/15-DGE-EB-Vorveroeffentlichung-Kapitel8.pdf)

10 Beal et al., Lancet Planet Health 2023; 7: e233–37, https://doi:10.1016/S2542-5196(23)00006-2

11 https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/gut-essen-und-trinken/dge-empfehlungen/, abgerufen 19.05.2024, 19:50

12 https://www.bzfe.de/ernaehrung/ernaehrungswissen/lebensmittelbezogene-empfehlungen-der-dge/, abgerufen 21.05.2024, 19:29

13 Bausteine für die Transformation zu einem nachhaltigen Ernährungssystem, Juni 2023

14 https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/haetten-sies-gewusst/infografiken/wie-viel-fleisch-essen-die-menschen-in-deutschland-pro-jahr-kopie-1, abgerufen 20.05.2024, 18:50

15 https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11850/publikationen/73_2024_texte_umweltrisiken_lieferketten.pdf, abgerufen am 20.05.2024, 19:23

16 https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/orientierung-beim-einkauf/tierwohl-kennzeichnung/, abgerufen am 19.05.2024, 20:41

17 Bausteine für die Transformation zu einem nachhaltigen Ernährungssystem, Juni 2023

18 https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Themen/Gesundheitsverhalten_und_Klimawandel/Gesundheitsverhalten__Klimawandel_inhalt.html, abgerufen 19.05.2024, 13:00

19 Vollset et al, 2020, Lancet 2020; 396: 1285–306, https://doi.org/10.1016/ S0140-6736(20)30677-2


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